InnoCow – Alles Beginnt mit einer Idee (2014 – 2015)

Schon bevor ich nach Kaiserslautern zog und meine Promotion am DFKI begann, hatte ich den festen Entschluss gefasst, mein eigenes Unternehmen zu gründen. Dieser Entschluss reifte gegen Ende meines Masterstudiums in Magdeburg, als ich intensiv über meine berufliche Zukunft nachdachte. Die Promotion bot sich zu diesem Zeitpunkt als eine ideale Möglichkeit an, um meine Ziele weiter zu verfolgen.

Zwar hätte die Promotion auch eine ausgezeichnete Möglichkeit geboten, meine berufliche Karriere voranzutreiben, aber das war nie mein primäres Ziel. Vielmehr entsprach es meinem Naturell, neue Herausforderungen zu suchen und mit Leidenschaft an ihnen zu wachsen. Ich wollte neue Dinge ausprobieren, mich selbst und den Status quo in Frage stellen. Mit dem Fokus auf Künstliche Intelligenz (KI) war die Promotion der perfekte Weg, mich sowohl fachlich als auch persönlich weiterzuentwickeln.

Im Geheimen hoffte ich jedoch, dass ich in einem Umfeld, das sich ausschließlich mit der Zukunft, dem Unbekannten und ungelösten Problemen beschäftigte, auf die zündende Idee für mein eigenes Unternehmen stoßen würde. Unsere Aufgabe als Forscher war es, uns mit zukünftigen Herausforderungen auseinanderzusetzen, Dinge zu hinterfragen und neue Möglichkeiten zu ergründen – und das in einem so zukunftsträchtigen Bereich wie der Informatik, insbesondere der KI.

Außerdem bietet eine Promotion im Vergleich zur Industrie die Freiheit, sich nicht ständig mit dem Tagesgeschäft auseinanderzusetzen. Diese Distanz zum operativen Geschäft verschaffte mir den Freiraum, über meine „eigentliche“ Arbeit hinaus zu denken und mich mit Themen zu beschäftigen, die mich langfristig weiterbrachten. Es war die intrinsische Motivation, die mich während meiner Promotion antrieb und mir die Möglichkeit gab, diese Zeit als eine Art Entfaltung zu erleben.

Summer School

Entrepreneurship Summer School Gründungsbüro KL (Quelle: Gründungsbüro)
Entrepreneurship Summer School Gründungsbüro KL (Quelle: Gründungsbüro)

Es war im Sommer 2014, als ich in der Mensa saß und einen Flyer des Gründungsbüros entdeckte. Darin wurde die jährliche Entrepreneurship SummerSchool vorgestellt, ein Programm, das angehende Gründer auf ihrem Weg von der ersten Idee bis zum fertigen Gründungskonzept unterstützt. In einem intensiven einwöchigen Kurs, bestehend aus verschiedenen Workshops, wurden Gründungsinteressierte an die wesentlichen Themen wie Geschäftsmodelle, Marketing, Finanzierung und Patentierung herangeführt. Der Schwerpunkt lag auf „Learning by Doing“, bei dem erfahrene Referenten den Teilnehmern praxisnah die Grundlagen des Unternehmertums vermittelten.

Als Student der Informatik, wie viele andere Teilnehmer auch, hatte ich keine Bedenken hinsichtlich der Idee und ihrer Umsetzung zu einem Produkt oder einer Dienstleistung. Das technische Know-how war vorhanden. Was mir jedoch fehlte, war das Wissen, wie man daraus ein echtes Business aufbaut – ein Aspekt, der leider nicht Teil meiner bisherigen Ausbildung war.

Doch die SummerSchool bot nicht nur fachliche Weiterbildung, sondern förderte auch den Austausch zwischen den Teilnehmern. In diesem Rahmen hatte ich das erste Mal intensiven Kontakt zur Landwirtschaft. Ich traf einen Studenten aus der Eifel, der auf dem Milchviehbetrieb seiner Eltern aufgewachsen war. In einem anregenden Gespräch tauschten wir uns über die Herausforderungen der Landwirtschaft aus, und er erzählte mir von den Schwierigkeiten seines Bruders, der inzwischen den Betrieb übernommen hatte. Besonders problematisch war, dass er Probleme hatte, seine Kühe trächtig zu bekommen. Die kommerziellen Systeme, die es auf dem Markt gab, waren entweder zu teuer für kleinere Familienbetriebe oder erfüllten nicht die nötigen Anforderungen.

Ausgründung meiner Forschungsarbeit

Entrepreneurship Summer School Gründungsbüro KL (Quelle: Gründungsbüro)
Entrepreneurship Summer School Gründungsbüro KL (Quelle: Gründungsbüro)

Interessanterweise arbeitete ich zur selben Zeit im DFKI an einem Forschungsprojekt namens MyCustomer. Dabei ging es darum, mithilfe GPS-fähiger mobiler Endgeräte wie Smartphones und Tablets sowie sozialer Netzwerke zu untersuchen, wie man relevante Kundeninformationen lokal verorten und so gezielt auf einzelne Zielgruppen und Kunden eingehen kann. Ein Teilaspekt dieses Projekts war die Weiterentwicklung der Technologie aus meiner Masterarbeit, mit der wir in Kaiserslautern gemeinsam mit einem lokalen Busbetreiber die Busse während ihrer Fahrt überwachen konnten. Ziel war es, mithilfe der präzise erfassten Fahrtdaten Routenoptimierungen durchzuführen. So konnten wir Strecken identifizieren, auf denen regelmäßig Staus zu erwarten waren, und verschoben Haltestellen strategisch an Ampeln, an denen die Busse ohnehin halten mussten.

Diese Erfahrung brachte mich auf die Idee: Wenn ich Busse in der Stadt tracken kann, warum nicht auch Kühe im Stall? So entstand während der Summer School die Idee zu InnoCow!

Sei anders als die anderen

Durch meine zunehmende Sensibilisierung für das Unternehmertum machte ich mich daraufhin voller Tatendrang an die Arbeit, um meine Idee voranzutreiben. Ideen gibt es schließlich viele, wahrscheinlich auch viele sehr gute – entscheidend ist jedoch die Umsetzung. Getreu dem Motto „Erfolg hat drei Buchstaben: tun“ begann ich, meine Vision zum Leben zu erwecken. Anfangs hatte ich nicht mehr als eine bloße Idee, doch das reichte, um den ersten Schritt zu wagen.

Als Wissenschaftler ging ich zunächst methodisch vor und begann damit, die bestehenden Systeme und Produkte auf dem Markt zu untersuchen. Schnell wurde mir klar, dass diese Produkte zwar ihre Funktion erfüllten und einen gewissen Kundennutzen brachten, jedoch größtenteils noch auf Technologien aus vergangenen Jahrzehnten basierten. Die grundlegende Idee war immer noch dieselbe wie in den 90er Jahren: Ein Schrittzähler oder Pedometer wird am Fesselgelenk einer Kuh befestigt und überträgt mehrere Male am Tag die gesammelten Schritte, um die Bewegungsaktivitäten der Kuh zu erfassen. So lässt sich nachvollziehen, wie viel sich das Tier im Stall bewegt hat.

Die Reise beginnt in der Summer School

Das zugrunde liegende Prinzip war zwar nach wie vor gültig und erfüllte seinen Zweck für die Landwirte, doch ich begann mich zu fragen, welche neuen Möglichkeiten sich durch die Anwendung moderner Forschung und Technologie eröffnen könnten. Was ließe sich noch aus den gesammelten Daten herauslesen, wenn man nicht mehr die Aktivitäten der Kühe mittels Pedometern schätzt, sondern mit modernen Indoor-Ortungstechnologien die zurückgelegte Wegstrecke präzise misst? Wie könnten Deep Learning und Künstliche Intelligenz dabei helfen, in den großen Datenmengen relevante Muster zu identifizieren? Ist es noch zeitgemäß, reine Hardware zu kaufen, deren Software bereits beim Verkauf veraltet ist, oder können in diesem Markt auch Cloud-basierte Geschäftsmodelle erfolgreich eingesetzt werden?

Mit all diesen Fragen und noch vielen weiteren beschäftigte ich mich intensiv im Jahr 2015. Ich recherchierte wochenlang über den Markt und die Wettbewerber, führte zahlreiche Gespräche mit Professoren und tauschte mich mit ihnen über ihre Sichtweisen aus. Darüber hinaus baute ich Prototypen und setzte meine technologischen Ideen Schritt für Schritt um. Besonders spannend war für mich, was mir am meisten Freude bereitete und was ich bereits beherrschte: die Entwicklung einer Plattform zur Echtzeitverarbeitung großer Sensordatenmengen.

Nach all der Vorarbeit war ich im Herbst 2015 schließlich überzeugt, dass ich nicht nur eine Idee, sondern ein tragfähiges Konzept entwickelt hatte. Glücklicherweise fand ich in meinem Chef und Professor einen wichtigen Unterstützer für mein Gründungsvorhaben, allein schon dadurch, dass er mir die Freiräume gab, die ich für diese Aufgaben benötigte. Denn eines wird bei solchen Projekten schnell deutlich: Es erfordert vor allem eines – Zeit. Und die muss man sich erst einmal nehmen. Das ist wohl auch der Grund, warum vor allem junge Menschen nach dem Studium den Schritt in die Selbstständigkeit wagen: In einem „normalen“ Job würde einem diese Freiheit fehlen. An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei Prof. Dengel bedanken, dessen Unterstützung mir dabei half, mein Vorhaben zu realisieren.